Trailrunning

Überzeugender Purismus - der SachsenTrail 2017

- unterwegs auf sächsischen Trails beim SAXOPRINT SachsenTrail

Kilometerlange Steilanstiege, kahle Gipfel mit unendlichen Weitblicken oder schroffe Felsen? Gibt es hier nicht. Kein spektakulärer Grat, keine wegen Absturzgefahr gesicherten Fixseilpassagen. Auch keine tiefen Schluchten oder Flussbettquerungen.

All das braucht es nicht. Es geht hier um das Wesentliche. Die Bohne im Kaffee sozusagen: den Trail unter der Sohle. Hier offenbart sich eine heimliche Perle der mitteldeutschen Trails. Eigentlich exklusiv für Mountainbiker angelegt, ist der Singletrail-Park im Trailcenter Rabenberg. Nur ein mal im Jahr erobern Trailrunner diese Pfade. Trailrunner im MTB-Singletrail-Park? Klingt befremdlich, macht aber einfach nur Spaß: Ich bin beim HalfTrail des SAXOPRINT SachsenTrail im Erzgebirge über 34,4 km am Start.

Die Stimmung ist entspannt und gelassen. Bei angenehm frühsommerlichen Temperaturen versammeln wir uns vor dem Veranstaltungszelt. Ein kurzes Briefing übernimmt Günter Frietsch persönlich. Er ist selbst leidenschaftlicher Trailläufer. “Wir haben euch den Wald nicht gefegt, nur die Strecke markiert.”, gibt er mit auf den Weg und schickt uns Richtung Startbogen. Ich ahne, was er meint.

Kein Drängeln und Quetschen, jeder findet seinen Platz. Der Startschuss lässt nicht lang auf sich warten. Zügig geht es los. Nur ein kurzes Stück auf breiten Wegen, auf denen sich das Feld entzerren kann, bevor der erste Downhill den wahren Charakter der Strecke verrät. Auf fünf Kilometer werden 300 Höhenmeter vernichtet. Ein Singletrail, wie aus dem Bilderbuch schlängelt sich im Wald hinunter: Wurzeln, Kurven, Bäche und Brücken, noch mehr Kurven, Steine und Buckel lassen das Trailherz höher schlagen, die Sohle glühen und mich alle guten Vorsätze hinsichtlich vernünftiger Renneinteilung vergessen.

Der Downhill endet in einem verwachsenen, gewundenen Wiesenpfad. Dann ein kurzer Abstecher in die Zivilisation zur ersten Wasserstelle, nur ein Zubringer zum nächsten Trail. Dort erst am Fluss entlang, später mitten durch Gestrüpp und über saftige Waldwiesen. Platt getretenes Gras und Flatterbänder in regelmäßigen Abständen verraten, dass ich richtig bin, mitten in diesem grünen Labyrinth. Es ist ein bisschen wie früher, wie die Schnitzeljagd zum Zuckertütenfest im Kindergarten - mitten im Wald.

Nur schneller. Denn Zeit zum Ausruhen bleibt kaum. Flachpassagen sind rar, schnelle Downhills wechseln sich immer wieder mit verwinkelten Wurzeltrails und bissigen Gegenanstiegen ab. Fast alles ist laufbar. Immer dran bleiben, immer Druck machen. Freilich ist das kein Muss, aber diese Trails wollen gerockt werden, sind Antrieb und Herausforderung zugleich. Ein Herzstück der Strecke ist der Grenzgraben: knapp drei Kilometer führt uns eine V-förmige Rinne auf der Deutsch-Tschechischen Landesgrenze entlang. Zwei Füße passen hier eher schlecht als recht nebeneinander, der Graben ist verwachsen, es geht leicht bergauf und schnurgeradeaus. Ob grüne Hölle oder Oase, das mag jeder selbst entscheiden. Ein Unikat ist er ohne Zweifel. Ein richtiger
Brocken wartet nochmal zum Schluss. Die anfangs vernichteten Höhenmeter müssen im Schlussanstieg wiederhergestellt werden. “It’s okay to cry!” besänftigt ein Schild am Streckenrand.
Auf den letzten Metern ist das Ziel schon zu hören. Das Adrenalin trocknet tatsächlich die Tränen und lässt mich nochmal in Schräglage durch die letzten Kurven des MTB-Parcours ins Ziel fetzen.



Wem der HalfTrail mit 34,4 km und 910 hm nicht genug ist, für den bietet der SAXOPRINT SachsenTrail auch einen UltraRun über 70,3 km mit 1.810 hm. Der hier deutlich geringere Trail-Anteil auf der Strecke wird mit 4 Qualifikationspunkten für den UTMB wettgemacht. Da muss der Trailrunner im Zweifel zeigen, dass er auch laufen kann. Jahr für Jahr versucht Streckenchef Günter den Förstern etwas mehr Trail abzuringen und bleibt dabei auch weiter hartnäckig. Die Zukunftspläne für den Sachsentrail sind vielversprechend: So denken die Organisatoren beispielsweise über eine 100km Runde nach. Diese könnte unter anderem über Sachsens höchste Erhebung, den Fichtelberg, führen.

Marco Möhler heißt der diesjährige Sieger auf der Langstrecke. Er unterbot in der vierten Auflage des UltraRun beim SAXOPRINT SachsenTrail erstmals die sechs-Stunden Marke und finisht in 5:59:12 Stunden. Der Brandenburger beeindruckt mit Minimalismus und Bescheidenheit, geht ohne GPS-Uhr oder Laufrucksack auf die Strecke. Ein Blick auf’s Handy verriet ihm unterwegs, dass er recht gut in der Zeit liegt.

Neben einem neuen Streckenrekord gab's auch über ein neues Teilnehmerhoch: 886 Starter gingen insgesamt an den Start. Bei Strecken von 9,4 km bis 70,3 km ist für jeden etwas dabei. Sogar für die Kleinsten.

KidsTrail (900 m)
KidsTrail (2,5 km)
FunTrail (9,4 km, 295 hm)
QuarterTrail (19 km, 490 hm)
HalfTrail (34,4 km, 910 hm)
UltraRun (70,3 Kilometer, 1.810 hm)

Er weiß die sächsischen Trails zu schätzen: Attila Toth aus Dresden. Sein bevorzugtes Trainingsrevier hat er direkt vor der Haustür: In der Dresdner Heide und bei regelmäßigen Abstechern ins Elbsandsteingebirge sammelt er Höhenmeter. “Klar sind unsere Mittelgebirge kein Vergleich mit den Alpen. Der Reiz ist eben ein anderer. Aber fit werden kann man hier allemal.”, erklärt er schmunzelnd. Recht hat er: Das Heimspiel im Erzgebirge ließ er sich nicht entgehen, erst zwei Wochen vorher finisht er den Zugspitz Ultra als Gesamt-Sechster.

Katrin Grieger ging auf der Ultra Distanz an den Start. “Die Anreise aus Hamburg muss sich ja lohnen.”, sagt sie. Gelohnt hat sich der Ausflug in jedem Fall: Sie siegt bei den Damen und freut sich über die tadellose Organisation und gemütliche Atmosphäre auf dem Rabenberg.

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