Die blaue Stunde kommt näher. Wenn die Sonne untergeht, die Dämmerung beginnt und bald darauf die Dunkelheit einsetzt, wird Laufen zum besonderen Vergnügen auch für die Sinne – und der Nachtlauf, ganz egal, ob in Dresden, Leipzig oder Chemnitz, zu einem unvergleichlichen Erlebnis. Liebeserklärungen dieser Art sind schnell gemacht. Vom schönsten aller Dresdner Läufe haben manche Teilnehmer in den vergangenen Jahren sogar gesprochen, von einer außergewöhnlichen Atmosphäre und unbeschreiblichen Gänsehaut-Momenten.
Der Dresdner Nachtlauf, das sagen selbst die Organisatoren, sei die Perle unter den Laufevents der Stadt. Der Trubel des immer am Nachtlauf-Freitag beginnenden Stadtfests, die mit Lichterbögen, Fackeln und Knicklichtern beleuchtete Strecke, der Blick auf die in die Dämmerung eintauchende Altstadt mit Hof- und Frauenkirche sowie das Gefühl, in der Dunkelheit noch schneller als sonst unterwegs zu sein – das macht den Centrum Galerie Dresdner Nachtlauf tatsächlich einmalig.


Wenn es trotzdem noch einen Beweis für all die Schwärmereien gebraucht hat, dann wahrscheinlich diesen: die Abstimmung mit den Füßen. Exakt zehntausendundsechsundzwanzig sind es Mitte August gewesen, die sich in Dresden auf den Weg gemacht haben. Damit war der nächste Teilnehmerrekord perfekt. Aber noch viel schöner und wichtiger: Damit hatte die sächsische Nachtlaufserie nach den Stationen in Chemnitz und Leipzig ein würdiges, großes Finale in der Landeshauptstadt bei allerbestem Wetter, mit begeisternden Finishern – und mittlerweile fast sprachlosen Organisatoren. „Exakt 5.013 Läufer haben für die 13,8 und die 5 Kilometer gemeldet. Das ist fantastisch und ein Stück weit schon unglaublich. Ich hätte nie gedacht, dass wir mal die 5.000-Läufer-Marke erreichen. Eine krasse Entwicklung“, bilanzierte Reinhardt Schmidt von der Laufszene Events GmbH, die den Nachtlauf sozusagen 2010 für Dresden erfunden hat.
Dass Dresden als neue deutsche Laufhauptstadt gilt, hat die zehnte Auflage des Nachtlaufs eindrucksvoll bestätigt.
Angefangen mit rund 1.500 Läufern, was für eine Premiere eine doch sehr stattliche Anzahl ist, hat sich das Teilnehmerfeld binnen eines Jahrzehnts mehr als verdreifacht – und ein Ende ist nicht abzusehen. Jedes Jahr gibt es wieder Debütanten, und auch diesmal war von Zuschauern am Streckenrand zu hören, dass sie sich einen Start im nächsten Jahr fest vorgenommen haben. Inzwischen ist die Teilnahme schließlich für jeden eine machbare Sache. Denn neben dem Nachtlauf-Klassiker, den 13,8 Kilometern vom Altmarkt übers Blaue Wunder und wieder zurück, ist seit vier Jahren auch der ENERGIEHAUS HighFive!-5-km-Lauf im Angebot – mit dem Start auf dem Elberadweg unterhalb der Saloppe. Die ideale Distanz also für alle Neu- und Wiedereinsteiger, Abends-gerne-kürzer-Läufer oder auch Kurzentschlossene, die nach den Sommerferien noch nicht ganz so oft unterwegs gewesen sind.
Die naheliegende Befürchtung, dass sich mit der Einführung der Kurzdistanz so manche Läufer von der langen Strecke abwenden könnten, hat sich ins Gegenteil umgekehrt. „Beide Distanzen wachsen, weil immer mehr Menschen zum Laufen finden und fünf Kilometer für die meisten erst der Anfang sind – auch wenn sich das viele vorm ersten Start noch gar nicht vorstellen können“, erklärt Reinhardt Schmidt. Der Beleg in Zahlen: 1.605 Läufer haben in diesem Jahr die fünf Kilometer absolviert, 3.408 die 13,8 Kilometer.
Das Ziel ist für alle gleich: Wilsdruffer Straße, Nähe Altmarkt. Wenn das sportliche Vergnügen endet, kann der Stadtfest-Spaß direkt beginnen. „Der Nachtlauf und das Dresdner Stadtfest – das ist nicht nur Tradition, das gehört fest zusammen“, betont Reinhardt Schmidt.
Seit vergangenem Jahr gibt es die Erfolgsgeschichte Nachtlauf auch als Dreiteiler mit den Stationen in Chemnitz und Leipzig – die alle drei zusammen wiederum die sächsische Nachtlaufserie bilden. „Wir hatten in diesem Jahr mehr als 2.300 Läufer in Chemnitz, rund 2.700 in Leipzig – jeweils so viel wie nie. Und Dresden setzte dem dann mit dem Durchbrechen der 5.000er-Schallmauer noch die Krone auf“, sagt Reinhardt Schmidt.


Ein Selbstläufer ist diese Entwicklung allerdings nicht. Immer wieder feilen die Organisatoren am Konzept und scheuen sich, wenn nötig, auch nicht vor größeren Veränderungen – wenn sie denn die Bedingungen für die Teilnehmer besser machen. Wie das Beispiel Leipzig zeigt, wo die Nachtläufer seit 2011 unterwegs sind. „Wer wagt, gewinnt“, sagt Reinhardt Schmidt. Er meint die Verlegung von Start und Ziel auf den Leipziger Markt und findet: „Damit sind wir im Herzen der Stadt angekommen. Wir freuen uns, dass die Läufer unseren Ideen gefolgt sind.“ Statt Freitag wird in Leipzig nun am Samstagabend gelaufen, und das losgelöst vom Stadtfest. Begleitet von Samba-Bands und den Nachtlauf-typischen Lichteffekten haben die Läufer die Leipziger City damit ganz für sich, sie allein stehen im Mittelpunkt. Statt wie in den Anfangsjahren dreimal gut 3 Kilometer zu absolvieren, sind jetzt zwei 5-km-Runden durch die Innenstadt zu bewältigen. Die Folge: noch mehr Laufspaß und auch bessere Zeiten.
Komplettiert wird die Serie seit 2018 von Chemnitz, wo Stadtlauf und Chemnitz-Marathon zum Nachtlauf verschmolzen. Damit knüpfen die Organisatoren an die lange Lauftradition in Chemnitz an und machen das Laufen noch attraktiver, noch mehr zum Vergnügen – und das nicht nur für die Beine. „Vor allem die eindrucksvoll beleuchtete Strecke, die vom Stadtzentrum bis zum Schlossteich und wieder zurückführt, bietet zu abendlicher Stunde ganz neue Reize. Was in Dresden und Leipzig funktioniert, wird auch in Chemnitz zum Renner“, prognostizierte Reinhardt Schmidt vor der Premiere im Vorjahr, und er sollte recht behalten.
Der eigentliche Clou sind jedoch die Nachtlauf-Medaillen von Chemnitz, Leipzig und Dresden. Jede einzelne für sich ist ein Hingucker. Und zusammengesetzt wie ein Puzzle ergeben sie ein großes Ganzes – das in diesem Jahr mehr als 1.000 Nachtläufer in den Händen halten. Die Besten von ihnen wurden im Rahmen des Nachtlauf-Cups noch einmal extra ausgezeichnet. Insgesamt 810 Läufer auf der Langdistanz (in Dresden 13,8, in Chemnitz und Leipzig jeweils 10 km) sowie 382 Teilnehmer über fünf Kilometer haben das Triple perfekt gemacht bei den Läufen mit dem ganz besonderen Ambiente, das darüber hinaus noch viel mehr in Erinnerung bleiben dürfte.


Sonnenuntergang, blaue Stunde, Lichterglanz – das gibt es nur beim Nachtlauf, das sorgt unterwegs schon für Gänsehaut-Momente. Und das hat sich weit über Sachsen hinaus rumgesprochen. „Die Atmosphäre beim Nachtlauf ist wirklich unvergleichlich“, sagt Reinhardt Schmidt, der abschließend noch einen anderen wichtigen Aspekt hervorhebt: das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer. „Ohne Euch wären so große Laufveranstaltungen nicht durchführbar. Vielen Dank dafür. Denn die Qualität ist am Ende doch das alles Entscheidende. Auch wenn es unterwegs mal weh tut, sollen die Teilnehmer mit einem strahlenden Gesicht nach Hause gehen.“