In den letzten Jahren habe ich in meinem Sport ziemlich viele verdammt coole Sachen gemacht. Ich bin wirklich glücklich über all die Erlebnisse, die Erfahrungen, die ich machen konnte und die Freunde, die diese manchmal etwas verrückte Leidenschaft teilen. Und ein bisschen stolz bin ich auch.
Nun ist es so, dass ich auch nicht ganz unehrgeizig bin und hier und da mal ganz erfolgreich war. Und ja: das schürt gewisse Erwartungen - bei anderen, aber vor allem bei mir selbst. Das kommt nicht von ungefähr. Logisch, für mich ist der Sport irgendwie ein Lifestyle und das Training hat eine gewisse Selbstverständlichkeit im Alltag. Nicht aber Narrenfreiheit! ;)
Warum ich euch das alles hier zu Beginn erzähle?
Nach ein paar wirklich erfolgreichen und gefüllten Jahren wollte ich 2019 eines ohne jeglichen Druck, ohne Erwartungen und Superlative. Irgendein Ziel, brauchte ich aber trotzdem. Oder?
Januar: Wintermarathon Leipzig
Eigentlich ein Pflichttermin im Kalender und immer gesetzt, „Alle Jahre wieder“ quasi. Das Motto: „Einer leidet immer“. Letztes Jahr war der Eine, nämlich ich. Mindestens genauso viel Spaß machte es aber eben auch, gemeinsam auf dem 10-Runden-Countdown-Kurs durch den Clara-Zetkin-Park von Leipzig zu huschen. Hart? Auf jeden Fall! Langweilig? Nie und nimmer! Schließlich haben mindestens zwei immer etwas zu lachen :) In diesem Fall mein liebster Gatte und der ohnehin unerschöpfliche Klemmi – denn mein Akku ging schon nach Runde sechs deutlich zur Neige. Die Motivation der beiden Herren an meiner Seite sorgte jedoch für ein Wireless Charging – in 3:34:55 schafften wir es ins Ziel und hatten schon am zweiten Januarwochenende den ersten Marathon für 2019 auf dem Konto. Hoppla!
Februar: Brocken-Challenge Gedächtnislauf zur Talsperre Malter
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Der Liebste hatte einen Startplatz für die begehrte Brocken-Challenge ergattert. Meine heimlich-kühne Idee war es, ihn ab dem Halbzeitpunkt in Barbis, gemeinsam mit unserem Vierbeiner Humboldt, auf der schwierigen zweiten Hälfte bis auf den Brockengipfel zu begleiten. Aber grau ist alle Theorie: In Barbis kam er mir entgegengehumpelt und machte unmissverständlich klar, dass sein Rennen hier heute zu Ende sei. Er war auf einer Eisplatte ausgerutscht. Ich sah sein Gesicht und versuchte nicht, es ihm auszureden – hatte nun aber die Aufgabe geerbt, sein Gepäck vom Brockengipfel zu evakuieren. Wir fuhren also zum Wanderparkplatz Oderbrück, ich schnallte mir einen Schlitten um und legte zumindest noch einen „Bergsprint“ über 7 Kilometer ein. Als mir die Sturmböen auf dem Brockengipfel später die Füße unter dem Hintern wegzogen, schwur ich mir: Diesen Marathon, den hole ich mir noch!
Zwei Tage später treffe ich Klemmi.
„Klemmi, laufen wir am Wochenende einen Marathon?“
„Klar.“
Bei strahlendem Sonnenschein rennen wir ein paar Tage später im Kurzarmshirt um die Talsperre Malter. Könnte man eigentlich öfter machen…
März: Bergtest Wehlen
Nun ging ich schon fast gezielt auf Ideensuche – und siehe da: gar nicht schwer! Ich kannte den Bergtest von Berichten, hatte selbst aber noch nie teilgenommen. Eigentlich eine Wanderung über 37 Kilometer durch unser schönes Elbsandsteingebirge, war er fast eine „Steilvorlage“ für das, was sich da als Jahresprojekt abzeichnete. Also los! Bei bestem Wetter und meist im Überholmodus liefen wir – der Gatte, der Klemmi und unser verrückter Professor auf vier Beinen - die 37 Kilometer … und schließlich noch eine 5-Kilometer Zugabe auf dem Elbradweg hinten dran. Was muss, dass muss, wenn es ein Marathon werden will! Denn unterwegs hatten wir festgestellt, dass wir alle drei bis dato einen Marathon pro Monat auf dem Konto haben – und das jetzt eigentlich für den Rest des Jahrs so fortführen könnten! :)
April: „OsterMalerEi“
Noch so ein ewig offener Punkt auf meiner persönlichen Bucket List: Der Malerweg. Natürlich kannte ich ihn – aber stets nur in Auszügen, bzw. Flicken-Fetzen. Schon lange war es mein Wunsch, ihn mal komplett abzulaufen und DAS war die Gelegenheit! Unser Osterspaziergang startete also bereits am Gründonnerstag: wir liefen 47 km (Etappe 2-4), am Karfreitag legten wir 46 km (Etappe 5-7) drauf und nach einer kleinen Pause schlossen wir nach den Feiertagen noch 30 km an (Etappe 8 + 1 + Verbindung durch Pirna). Ich mache es kurz: Ein Frühsommertraum! - und Pflichtausflug für jeden Trailrunner.
Mai: Rennsteig
Noch so ein Fixtermin im Kalender! Eigentlich stellt sich nie wirklich die Frage „ob“, sondern immer nur „welche Strecke?“ auf dem Rennsteig gelaufen wird (Gelegentlich soll es ja schon vorgekommen sein, dass Läufer „aus Versehen mit Absicht“ morgens in den „falschen“ Shuttle-Bus steigen … ;)) Okay, ich gebe zu: Auch wir überlegten. Da das Jahr aber nun gewissermaßen unter dem Motto Marathon stand, sollte es auch genau dieser werden. Und zwar mit dem vollen Programm: Schneewalzer und Hubschrauber im Stadion von Neuhaus, dann den ersten Berg hoch kämpfen, einen Platz im Feld finden und die Party genießen. Kurze Eskalation an meiner Lieblingsstelle, dem Hohlweg: mit Vollgas hinunter, ab durch die Mitte, dem Klemmi hinterher und mal locker 15-20 Plätze gut gemacht. Vernünftig ist das freilich nicht, aber hey! – alles hat seinen Preis. Wir bezahlen die Eskapade wenig später, indem wir schnappatmend Gels inhalieren und mindestens 15 Plätze wieder einbüßen - aber gelohnt hat es sich trotzdem: „Ey Klemmi, mit dir mal TAR rennen, das wäre auch was. Wobei, ob das gut geht?“ Die nächste Idee war geboren…
Juni: Schlosstriathlon Moritzburg
Im Juni rannten und wanderten wir den West Highland Way in Schottland und gingen einfach davon aus, dass unser Juni-Marathon hier mit „abfallen“ würde. Nun – wir lernten zwar alle Regenarten auf einer Skala von 0,01 – 10 kennen, schafften es aber auf unseren Tagesetappen nie auf 42,195 Kilometer. Eine Alternative musste her! Die Staffelbörse zum Schlosstriathlon Moritzburg war die Lösung. Ich übernahm den Laufpart der „Youngsters“ und drehte bei brütender Hitze 6 Runden um das Moritzburger Schloss. Ab Runde vier wurde es zunehmend einsam auf der Strecke und die Temperaturen forderten Tribut. Auf einige Fans am Streckenrand aber, war Verlass: „Da kommt die Frau mit dem schönsten Laufstil!“ Die wussten echt, was ein Mädel hören will. Wahr oder auch nicht, was sie da erzählten – der Spruch trug mich noch über weitere zwei Runden und der Marathon war in knapp unter 3:30 Std. im Ziel
Juli: SachsenTrail
Große Liebe! Nur ein „Problem“: Der HalfTrail beim SachsenTrail hat „nur“ 34,4 Kilometer. Also: Ultra laufen! Zumindest bis zum Marathon – und dann mal schauen, was noch geht. So war der Plan…
Ich rannte gemeinsam mit dem lieben Gatten, wir gingen es bewusst sehr ruhig an, nahmen uns viel Zeit an den Verpflegungen übertrieben es auch nicht an den Anstiegen. Es lief wie geschmiert. Ich erzählte und lachte und erzählte und der Liebste hörte zu - und lachte! Nur ab kurz nach dem Marathon nicht mehr ganz so. Und ganz wenig später gar nicht mehr. Wir nahmen einfach Tempo raus, gingen ein paar Schritte – aber er schickte mich weg. Ich wollte nicht. Er ließ nicht mit sich verhandeln. Ich auch nicht. Aber nicht mal nörgeln, schluchzen und weinen half. Den Marathon hatten wir doch schon auf der Uhr – also was soll‘s! Theoretisch könnten wir auch einfach aufhören. Keine Diskussion. Der Gatte wollte jetzt sein Ding machen. Und ich solle das gefälligst auch tun. Also trottete ich voraus …und nahm ihn ein paar Stunden später im Ziel wieder in die Arme. <3
August: Mauerweg in Berlin
„Ihr sucht doch immer einen Marathon! Wollt ihr den nächsten nicht einfach bei uns, machen? Wir sind den Mauerweg neulich mit den Rädern abgefahren – das war wirklich schön, erstaunlich ruhig und grün.“ Das ließen wir uns nicht zweimal sagen!
Und in der Tat: Ein grünes Band rund um Berlin, auf dem wir unseren Marathon im August absolvierten. Mit Tatkräftiger Unterstützung diesmal: Schwager Torsten, der uns für einen Halbmarathon Gesellschaft leistete, Schwägerin Ilka, die unermüdlich vom Rad aus motivierte, die Kilometer herunterzählte und für Wassernachschub sorgte (mal wieder eine Hitzeschlacht…) – und Onkel Willi, der uns am Wannsee schließlich erschöpft und schwitznass aufgabelte.
September: Berlin!
Es ist eine Hass-Liebe: Ich mag ihn eigentlich nicht, aber kann es auch nicht lassen: Der BMW Berlin Marathon. Die Stimmung und das Streckenfeeling sind schier unschlagbar – und doch habe ich hier auch schon zweimal ziemlich gelitten.
Nun bot sich durch einen Zufall die Chance noch kurzfristig einen Startplatz zu ergattern (ist ja gar nicht so einfach…) – Schon gut, aller guten Dinge sind drei! ;) Und dieses Mal einfach ganz entspannt. Bitte!
Gesagt getan. Kompagnon Klemmi war wieder mit von der Partie und wir hielten uns wirklich an unsere Tempovorgabe, überzogen nicht (bis auf ganz kleine Ausreißer). Das zahlte sich aus. Nur Klemmis Knöchel machte ab Kilometer 25 zunehmend Ärger. Wir legten einen kurzen Rehastop ein, ich konnte ihn zum Weiterlaufen überreden … bereute das aber kurz später, als wir einen satten Zwischensprint hinlegten. Inzwischen regnete es Bindfäden. Der Sprint reichte nicht ganz bis ins Ziel, unsere Kraft aber schon – und klitschnass waren wir eh längst!
Oktober: O-See Ultra
Wenn es einen Ultra-Trail gibt, dort wo für mich das Laufen begann – dann muss ich da hin! Keine Frage. Die Premiere des O-See Ultra Trail war quasi eine mentale Pflichtveranstaltung … und vielleicht lag genau da auch das Problem. Alles war bestens: Wetter, Stimmung, die Strecke ein Traum! Nur bei mir ging einfach gar nichts, an diesem Tag. An jedem Berg hing ich wie ein Schluck Wasser. Zu Beginn konnte ich das noch irgendwie wegdrücken, aber mit jedem Kilometer fiel es schwerer. Mein Liebster gab sein Bestes: navigierte, motivierte, wich mir nicht von der Seite. Es half nur wenig, dieses Mal schickte ich ihn voraus. Da stand ich allein auf weiter Flur. Die kleinen Kinderkrankheiten, die bei so einer Renn-Premiere irgendwie dazugehören, waren eigentlich keine Überraschung und auch kein Beinbruch. Nur hatte ich ihnen an diesem Tag rein gar nichts entgegenzusetzen: Im Aufstieg zur Lausche fand ich mich verzweifelt am Streckenrand hocken und nicht mal im Stande, die Route auf dem Handy zu checken. Irgendwann wurde ich von zwei Läufern aufgegabelt und mitgeschliffen. Irgendwann wartete sogar der Liebste wieder auf mich. Und irgendwann erreichten wir dann gemeinsam die Marathonmarke. Vom Rennen waren hier eigentlich noch um die 8 Kilometer übrig – aber nicht für mich. Der Marathon war in der Tasche. Auf den Hochwald, den letzten Gipfel, bekamen mich nun keine zehn Pferde mehr.
November: WallRun
Wirklich eine längere Geschichte…
>>> ZUM BLOGBEITRAG
Dezember: Advents-OEM
Es endete, wie es begann: Mit einem „Alle Jahr wieder“. Am dritten Adventswochenende treffen wir uns seit einigen Jahren mit einer eisernen Läuferschar, um die Originalroute des Oberelbe-Marathon abzulaufen und danach im Stadion bei Glühwein und Stollen zusammen zu kommen und das Laufjahr gemeinsam gemütlich ausklingen zu lassen. Eine schöne Tradition! Erst recht, wenn das süße Konfekt so redlich verdient ist. Ich hatte also einen recht ambitionierten Plan für den Lauf (schließlich gibt es auch 2020 Ziele!): Ich wollte ein Crescendo laufen, also in regelmäßigen Abständen schneller werden, um schließlich die letzten sieben Kilometer in 4:30 min/km zu rennen. Alle üblichen Verdächtigen waren mit von der Partie und es kam, wie es kommen musste. Die Gruppendynamik schlug voll zu: wir fanden uns bereits am Blauen Wunder bei einer Pace von 4:15 min/km wieder. Noch eine Steigerung auf den letzten Sieben, schenkten wir uns dann.
Im Stadion angekommen, hatten wir nicht nur den Advents-OEM in der Tasche, sondern auch den 12. Marathon in 2019. Es war geschafft!
Nicht alle waren einfach, aber jeder war besonders.
Jeder war ein Erlebnis, eine Erfahrung, zu jedem gibt es eine Geschichte. Keine neuen Bestzeiten letztes Jahr, keine Rekorde oder Superlative, kein großes Highlight das für 2019 in meine Sportgeschichte eingeht. Nein! Zwölf. Eine ganze Saison.
Und nun? Erstaunlich viele waren von der Idee wirklich begeistert und haben immer wieder nachgefragt, wie es läuft. Viele haben auch gefragt, ob ich dabeibleibe. Jeden Monat ein Marathon? Ganz klar: Nein! Das „Projekt“, das ganze Jahr, hat mir sehr viel Spaß gemacht. Schon allein die Ideenfindung war oft ein Riesenspaß und auch eine perfekte Gelegenheit, lang ersehnte Dinge mal in die Tat umzusetzen - den Malerweg zum Beispiel. Keine Ambitionen, kein Druck, der Weg war das Ziel. Bei jedem einzelnen Lauf! Und bei jedem einzelnen Lauf bekam ich nun wieder Lust. Lust, auf was Großes in 2020…
>>> Wer allles nochmal genau wissen will: ZU MEINEM STRAVA-PROFIL
Vielen Dank für all die schönen bildhaften Erinnerungen an Familie & Freunde sowie an Philipp Reiter, René Nicolai & Nico Beard.