Glen Coe Skyline
So, bevor ich euch hier wieder versehentlich zu viel Text um die Ohren haue, schaut euch vielleicht das Event-Video an -- das spiegelt die Idee vom Skyrunning besser wider, als ich es hier in Worte packen könnte:
>>> HIER GEHT'S ZUM VIDEO
Die Glen Coe Gebirgskette liegt im Westen Schottlands am Loch Leven. Der Frühling/Sommer 2018 war selbst dort außergewöhnlich warm und sonnig -- aber am Wochenende des Rennens sollten wir echtes britisches Wetter kennenlernen.
Das gesamte Skyline Scotland Event besteht aus 4 Rennen: einem vertikalen Kilometer, einem 50km Ultra, einem klassischem Skyrace und dem extrem technischen Skyrace, welches ich mir ausgesucht hatte. Da die anderen 3 Rennen Teil der Skyrunning-Weltmeisterschaft waren, war das gesamt Dorf Kinlochleven voller Läufer, Profis und Nationalteams -- die Stimmung war grandios.
Als einziges Rennen musste man sich für das extreme Skyrace einer Sicherheitsüberprüfung und einer Lotterie unterziehen. Bei ersterem galt es Klettereien und Rennen anzugeben, die zeigen, dass man über die Schwierigkeit erhaben ist -- so dass die Rennleitung das Risiko minimieren kann. Da ich früher viel geklettert bin und jetzt ab und zu selbst eigene, sehr technische Projekte in den Bergen mit Trailschuhen angehe, hatte ich genug Referenzen und bei der Lotterie einfach Glück :)
Ich befürworte ein solches Verfahren bei diesen technischen Ansprüchen. Für Tromso gilt, wer sich als erstes registriert, der bekommt den Platz -- unabhängig von seinen Fähigkeiten, den Kurs überhaupt zu meistern. Es ist auch für noch so schnelle und erfahrene Straßenläufer nicht unbedingt ohne großes Risiko machbar, wenn sie nicht vorher in den Bergen Erfahrungen sammeln konnten -- und damit beziehe ich mich nicht auf einfache Trailruns oder Bergläufe in den Alpen, sondern wirklich technisch anspruchsvolle Projekte/Läufe.
Ich hatte mich dazu entschieden, während meines Aufenthalts dort zu zelten -- meiner Erfahrung nach schafft man es auch nach einigen Nächten/Wochen im Zelt noch fit früh am Start zu sein. Es ist zwar nicht dasselbe, als die Nächte vorher in einem Bett zu verbringen, fühlt sich aber irgendwie “richtiger” an -- erst recht, wenn der Zeltplatz viel Natur bietet und selbst ein Hirsch kurz vor deinem Zelt chillt. Es nagt dann aber doch etwas an der Stimmung, wenn es fast durchgängig regnet und stürmt.
Das Wetter sollte Konsequenzen haben: beim ersten Event, dem vertikalen Kilometer, musste das Rettungsteam sehr oft ausrücken, weil ein Großteil der Läufer durch Sturm und Regen unterkühlten und nicht vorbereitet genug auf die Strecke gingen. Es sind halt die Berge und auch wenn ein vertikaler Kilometer für Bergläufer eher einem 5km bis 10km Straßenlauf entspricht (im abstrakten Sinne der Disziplin), so muss man sich auf solche Witterungen vorbereiten, auch wenn das bei kurzen Distanzen noch so lächerlich erscheint.
Am Tag danach, der WM auf der Ultra-Distanz mussten ganze 2.500m+ Höhenunterschied gestrichen werden, weil der Gipfel des höchsten Berges Schottlands, Ben Nevis, vereist war und es eigentlich galt, diesen zu überqueren. Aber auch das sind die Berge… Das klassische Rennen hatte als einziges Glück und wurde bei angenehmem Wetter am Samstag ausgetragen, bevor sich die nächste extreme Wettersituation näherte.
Dass es regnen und winden könnte, stört in Schottland nun wirklich weder Rennleitung noch Bergrettung -- das gehört einfach dazu. Das eigentlich Dramatische aber waren die Sturmböen, die mit >120km/h prognostiziert wurden und auch tatsächlich eintreffen sollten.
Daher musste die Rennleitung leider davon absehen, uns den gesamten Kurs ablaufen zu lassen und eine verkürzte Variante beschließen.
Im Originalkurs gibt es zwei technische Kletterstellen, die Besteigung des Gipfels Stob Dearg über die Curved Ridge und die Querung des Kammes Aonach Eagach Ridge. Ersteres ist als Kletterei mit dem Schwierigkeitsgrad III und zweiteres mit II ausgeschrieben. Da die curved ridge dank der Windrichtung den extremen Böhen nicht allzu stark ausgesetzt sein sollte, durften wir diese glücklicherweise rennen; der zweite Teil wurde aber umgeleitet, weil der Bergkamm zu ausgesetzt ist, um ihn halbwegs sicher mit solch starken Windböen und Nässe queren zu können -- wie gesagt, auch das sind die Berge. Auch auf meinen Solo-Touren musste ich mich im Hochgebirge schon einige Male zurückziehen, weil gefährliche Teile vereist oder zu rutschig waren.
Nach zwei durchregneten Nächten im Zelt war es dann endlich soweit. Etwas aufwärmen und ab zum Start. Beim Aufwärmen drehte sich mein Kopf nun um die Frage, ob ich die Stöcke, die bereits an meinem Rucksack hingen, mitnehme oder da es ja nur die verkürzte Variante werden sollte, doch gleich dalasse. Völlig übermütig rannte ich also zum Zelt zurück, schmiss die Stöcke rein und es ging schließlich zu Start. So weit so gut, noch war alles trocken -- aber pünktlich 5 min vor dem Start, alle hatten sich schon eingefunden, gab es einen starken Regenguss und zack, waren wir komplett durchnässt.
Der erste Anstieg war sehr angenehm und untypisch für ein Skyrace. Vor allem, weil das eigentliche Rennen ja 4700m+ auf nur 51km bietet. Naja, was solls -- ich hab mich gefreut, den ersten Hügel durchzurennen und hinab ins nächste Tal zu laufen. Von dort ging es dann entlang zunehmend technischer werdender Pfade zur ersten Kletterei. Und ich sag euch, sowas in der Art hätte auch ich in einem Rennen nicht erwartet. Hier wurde mal nicht übertrieben (wie so oft in Rennbeschreibungen ...) und es war mEn tatsächlich eine III’er Schwierigkeit und es gab auch für mich eine Stelle, bei der ich auf nassem Felsen, im Sturm, mit Trailschuhen etwas unsicher war. Da ich anfangs aber nicht zu langsam war, kam ich hier gut voran. Hinten soll es sich unglaublich gestaut haben, da doch nicht alle den Kopf und die Fähigkeiten hatten, die hunderte Meter lange Kletterei zügig durchzuziehen. Die Bergrettung und einige Fotographen hatten sich in der steilen Felswand an selbst gebauten Sicherungspunkten gesichert, waren aber natürlich eher zur Wegfindung als zur Hilfestellung da. Gerade in diesen Bedingungen war das ein äußerst geniales einprägsames Erlebnis.
Oben angekommen, wollte ich mir dann doch endlich meine Regen- und Sturmjacke überstreifen. Das wurde aber durchaus zur Herausforderung mit 120km/h Windböen und so war ich froh, dass es nur eine Überziehjacke mit halben Reißverschluss war, die ich halbwegs sicher anziehen konnte, ohne sie im Sturm zu verlieren.
Danach ging es in zunehmend unwegsamen Gelände weiter - runter und wieder hoch -- das alte Spiel im Skyrunning. Wir haben trotz der Schlechtwettervariante noch einen weiteren Gipfel mitgenommen. Beim Bergauflaufen hat uns der Sturm die Regentropfen so stark ins Gesicht geblasen, dass ich mir teilweise die Augen komplett zukneifen musste -- keine angenehme Sache, vor allem als es wieder steil und technisch bergab ging.
Nachdem wir noch mal ins Tal abgelaufen sind, gab es einen letzten langen, steilen Anstieg im weglosen Gelände (off-trail). In Großbritannien ist das Fell running immerhin entstanden und so gab es auch für uns zum Abschluss noch eine solche off-trail Sektion. Auf dem Fell waren die Verhältnisse dann so britisch, dass wir teilweise bis zum Knie in den Schlamm eingesunken sind. Hinfallen, wieder aufstehen, komplett verdreckt sein -- auch das gehört alles dazu.
Auf dem letzten Downtrail zurück nach Kinlochleven wollte sich dann noch ein Läufer an mich dranhängen. Ich konnte ihn dann aber doch etwas auf Abstand halten und vor dem Ziel wieder verlieren -- selten kann auch ich mal auf dem Downhill motiviert ballern.
Es war nicht der eigentliche Kurs, aber glücklicherweise auch nicht ganz der offizielle Ausweichkurs -- und so konnten wir über die extra Schleifen und Anstiege 32km mit sportlichen 3100m+ in sehr abwechslungsreichem Gelände absolvieren.
Im Ziel stellte sich dann heraus, dass mein Verfolger auf dem Downhill in Tromso genau eine Minute vor mir ins Ziel gekommen war -- witzig, wie nah man sich bei verschiedenen Rennen doch kommen kann und bei demselben Leistungsniveau nichts voneinander mitbekommt ^^
Aber dazu bin ich auch ein zu asozialer Läufer ;)
Glen Coe hat alles, was man sich als Läufer mit Bergsporthintergrund nur wünschen kann. Es ist ein wesentlich technischeres Rennen als Tromso und irgendwie muss es mir noch mal gelingen, den gesamten Kurs und vor allem auch die lange Traverse zu laufen.
Max